Baumangel – es lohnt sich, hartnäckig zu sein
Welcher Neu- oder Umbau läuft schon so ganz ohne Probleme? Und das Thema Baumängel lässt sich kaum vermeiden, da die Handwerksunternehmen ihre Aufträge nicht nur unter Kosten-, sondern vor allem unter Zeitdruck realisieren müssen. Umso wichtiger ist es für Häuslebauer*innen und Käufer*innen, sich mit ihren Rechten – und Pflichten – zu befassen: Hartnäckigkeit kann sich unter dem Strich durchaus auszahlen.
Die Themen im Überblick:
Baumangel – es lohnt sich, hartnäckig zu sein
Versteckte Baumängel summieren sich – was ist nun zu tun?
Der Kaufvertrag ist unterschrieben und endlich geht es los mit dem grossen Umzug. Sie haben den Kopf voll, es ist an so vieles zu denken und zu organisieren. Es dauert Wochen, bis Sie wieder richtig durchblicken und so ganz langsam zur Ruhe kommen. Jetzt sollte das Geniessen beginnen, schliesslich haben Sie sich einen Traum erfüllt: Sie wohnen nun in Ihren eigenen vier Wänden und können diese so gestalten, wie Sie es sich immer vorgestellt hatten.
Voller Eifer gehen Sie ans Werk – bis Sie die ersten Baumängel feststellen.
Die tun Sie noch ab, kann ja mal passieren. Das Gewitter mit Starkregen ist dann jedoch zu viel für das Dach, das sich als stellenweise undicht erweist. Versteckte Baumängel summieren sich – was ist nun zu tun?
Baumängel – nicht nur ein Thema beim Neubau
Naturgemäss ist die Wahrscheinlichkeit von versteckten Baumängeln bei älteren Gebäuden grösser, als dies bei Neubauten der Fall ist. Doch auch hier ist nicht alles Gold, was glänzt: Die Schäden, die durch Fehlkonstruktionen und -installationen verursacht werden, sind enorm:
Die Basler Kantonalbank beziffert die Mängelkosten, die durch Neubauten in der Schweiz verursacht werden, rund 1,6 Milliarden Schweizer Franken – pro Jahr!
(bkb.ch)
In diesem Punkt haben Häuslebauer*innen einen Vorteil: Sie können innerhalb der ersten fünf Jahre die zuständigen Bauunternehmen für allfällige Schäden in Haftung nehmen.
Käufer älterer Immobilien haben es da schwerer und müssen oft genug die durch versteckte Mängel verursachten Kosten selbst tragen.
Die Ausnahme: Arglistig verschwiegene Baumängel nach Hauskauf eröffnen in der Regel gute Chancen darauf, die Kosten für die Behebung der Baumängel nach 10 Jahren doch noch erstattet zu bekommen – allerdings erst nach einem Rechtsstreit.
Jahrelange Erfahrung kennt auch die versteckten Baumängel
Wichtige Tipps: Risiko von Baumängeln beim Hauskauf reduzieren
Schon vor Abschluss des Kaufvertrages empfehlen sich daher folgende Massnahmen:
Immobilie professionell bewerten
Lassen Sie die Immobilie bewerten – und zwar professionell. Binden Sie dazu am besten einen Experten ein, der die Bausubstanz fachmännisch beurteilen kann.
Versicherung für versteckte Baumängel
Schliessen Sie eine geeignete Versicherung ab, die bei versteckten Baumängeln leistet – das ist in der Schweiz möglich. Auch an dieser Stelle empfiehlt sich die Expertise eines Spezialisten, um die optimale Police zu finden. (Quelle: bkb.ch)
Was tun, wenn bereits ein Kaufvertrag abgeschlossen wurde?
Haben Sie bereits einen Kaufvertrag abgeschlossen und stellen Mängel fest, dann stehen Ihnen folgende Wege offen:
Rechtzeitig Mängelrüge erheben
Erheben Sie rechtzeitig Mängelrüge – und zwar schriftlich. Reichen Sie diese Rüge innerhalb der vertraglich fixierten Rügefrist ein. Es liegt nämlich an Ihnen zu belegen, dass Sie die Baumängel rechtzeitig beanstandet haben. Sollten Sie keine diesbezüglichen Vereinbarungen getroffen haben, gilt das Obligationenrecht. Danach müssen Sie Mängel sofort melden. Unter dem Strich heisst das: innerhalb einiger Tage.
Nachbesserung einfordern
Fordern Sie Nachbesserung – soweit das möglich ist. Das ist für alle Beteiligen die beste Lösung, zumal Sie beim Verkäufer eventuell noch ein Angebot aushandeln können. Und: Sollten Sie während er Baumassnahmen weitere Unannehmlichkeiten hinnehmen müssen, sodass Sie beispielsweise im Hotel wohnen müssen, dann machen Sie die Kosten ebenfalls geltend – nämlich als Mängelfolgeschäden.
Kaufpreisminderung verlangen
Verlangen Sie im Ernstfall eine Kaufpreisminderung – sofern keine Nachbesserung möglich oder sinnvoll ist. Schrauben Sie Ihre Erwartungen jedoch nicht zu hoch, denn meist hält sich der Nachlass in Grenzen
Auf Wandlung des Kaufvertrages bestehen
Bestehen Sie auf Wandlung des Kaufvertrages – sobald Ihr Verbleib in der Immobilie unzumutbar ist. Im Prinzip erreichen Sie auf diesem Weg die Vertragsaufhebung und den vollen Kaufpreis zuzüglich Verzinsung zurück. Das kommt jedoch nur selten vor, schliesslich verlieren Sie Ihr Traumhaus.
Alles klar? Halt, da gibt es noch die Besonderheiten!
Besonderheit: Stockwerkeigentum und Mängel
Interessieren Sie sich für Stockwerkeigentum, spielen weitere Aspekte eine Rolle – schon vor dem Kauf:
Erneuerungsfond - was wurde bereits investiert, was ist geplant und wie viel Geld ist im Fond?
Lassen Sie sich offenlegen, wie viele Mittel bereits im Erneuerungsfond angesammelt und welche Investitionen bereits getätigt wurden.
Stockwerkeigentümergemeinschaft: Umgang unter einander
Verschaffen Sie sich einen Eindruck von der Stockwerkeigentümergemeinschaft – beispielsweise anhand der Protokolle, die den Umgang untereinander, aber auch die Auswahl der Themen widerspiegeln.
Welche Renovationen stehen an?
Klären Sie den Renovationsbedarf für die kommenden Jahre – schliesslich werden Wohnhäuser für rund 50 Jahre gebaut, sodass dann grössere Massnahmen anstehen.
Warum wird die Wohnung verkauft?
Prüfen Sie, warum gerade diese Wohnung verkauft wird – vielleicht kommen Sie bereits an dieser Stelle versteckten Baumängeln auf die Spur?
Eine neutrale Verkehrswertschätzung verlangen
Lassen Sie die Immobilie schätzen – insbesondere dann, wenn Sie sie von einem Treuhänder kaufen wollen.
Besonderheiten der Bauepoche
Bedenken Sie bei ihrer Auswahl die Besonderheiten der Bauepoche – so vermeiden Sie Probleme bereits im Vorfeld, da beispielsweise in den 80er Jahren bei Weitem noch nicht so gedämmt wurde wie heute.
Im Prinzip gehen Sie bei Stockwerkeigentum genauso vor, wie in dem Fall, dass Sie versteckte Baumängel beim Hauskauf feststellen. Sinnvoll ist es jedoch, wenn Sie sich mit weiteren Stockwerkeigentümern absprechen und gemeinsam agieren. Ansonsten drohen Konsequenzen, denn Sie müssten bei einem Alleingang die Ihren Wertanteil übersteigenden Kosten für die Sanierung selbst tragen.
© haus-planen.ch – Autorenteam, Irina Friedrich – 26.9.2022